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Doctor's Theses (authored and supervised):

G. Franz:
"An Empirical Approach to the Experience of Architectural Space";
Supervisor, Reviewer: B. Martens; Bauhaus-Universität Weimar, 2005.



English abstract:
Architecture has an emotional impact on humans. Although it is a common experience that there are rooms where one immediately feels comfortable and perfectly at ease, whereas others appear repelling or even menacing, the general topic is still only vaguely understood, and architects lack a well-founded knowledge on the basic relations. The overall goal of this dissertation project was to provide a basis for investigating affective responses to architectural indoor spaces empirically.

German abstract:
Räume üben eine emotionale Wirkung auf den Menschen aus. Trotz der unbestrittenen Richtigkeit dieser Aussage und ihrer offensichtlichen praktischen Relevanz für die Architektur ist das Phänomen Raumwirkung bislang wenig systematisch untersucht. Diese Arbeit nähert sich dem Problemfeld von einem architektonischen Standpunkt beginnend mit der Frage, aus welchen konkreten Raumeigenschaften auf eine zu erwartende Raumwirkung geschlossen werden kann. Da aus der vorhandenen Literatur keine ausreichend umfassenden oder empirisch gesicherten Erkenntnisse abgeleitet werden können, rückt die Erstellung und Erprobung eines grundlegenden methodischen Rahmenwerks zur empirischen Erforschung von Raumwirkung in den Mittelpunkt dieser Dissertation. Ausgehend von der Annahme, dass Raumwirkung ein normales psychisches Phänomen und deshalb mit Mitteln der experimentellen Psychologie empirisch untersuchbar und quantitativ beschreibbar ist, werden folgende Grundbausteine als erforderlich erachtet: Eine vorläufige Arbeitsdefinition, ein grundlegendes Arbeitsmodell, die quantitative Beschreibung von Emotion und Architektur sowie eine angewandte Methodik, die es erlaubt, parallel, flexibel, kontrolliert und reproduzierbar Daten zu Raumeigenschaften und -wirkung zu erheben. Im Anschluss an diese grundsätzliche Einführung in Kapitel 1 wird in Kapitel 2 Raumwirkung von verschiedenen Seiten aus betrachtet. Es erfolgt eine Definition der zentralen Arbeitsbegriffe, das Thema wird provisorisch abgegrenzt und es wird ein vorläufiges Rahmenmodell entwickelt. Ausgehend von normativen Konzepten und Kategorien der Architektur und phänomenologischen Untersuchungen zum Sprachgebrauch wird Raumwirkung als tendentieller Einfluss einer räumlichen Umgebung auf den emotionalen Zustand eines Menschen definiert. Grundlegende auf Emotion bezogene Modelle und Taxonomien sind damit auf Raumwirkung übertragbar. Systemtheoretisch kann Raumwirkung als Funktion von physiologisch-psychischen Parametern und Umweltvariablen verstanden werden. Hieraus folgt für eine empirische Untersuchung, dass unter ansonsten konstanten Bedingungen zwischen einzelnen Umwelteigenschaften und abhängigen emotionalen Variablen ein Reiz-Reaktions-Zusammenhang angenommen werden kann. Kapitel 3 bis 5 beschäftigen sich mit den praktisch-methodischen Voraussetzungen von empirischen Untersuchungen, die auf diesem Rahmenmodell aufbauen. Sowohl Emotion wie auch architektonischer Raum müssen für vergleichende Studien quantitativ operationalisiert werden, außerdem bedarf es einer Experimentmethodik, die es erlaubt, Räume unter kontrollierten Bedingungen systematisch zu variieren. Kapitel 3 erörtert Methoden zur näherungsweisen Quantifizierung von emotionalen Reaktionen. In der Umwelt- und Emotionspsychologie sind hierfür bereits eine ganze Reihe von introspektiven, physiologischen oder verhaltensbasierten Messmethoden entwickelt worden, doch haben umfassende vergleichende Untersuchungen ergeben, dass für angewandte explorative Studien einfache verbale Beurteilungen eine ausreichend genaue Grundlage bieten. Weiteres Thema sind individuelle und situationsbedingte Unterschiede, die für die Architektur von besonderer Bedeutung sind, da normalerweise nicht für den Einzelfall und oft für unbekannte Einzelpersonen geplant wird. Glücklicherweise haben mehrere Studien überzeugend nachgewiesen, dass individuelle Unterschiede deutlich geringer sind als allgemein angenommen, und dass deshalb bereits über wenige Individuen gemittelte Daten normalerweise ausreichen, stabile und aussagekräftige Grundtendenzen festzustellen. Das folgende Kapitel 4 behandelt quantitative Beschreibungsmodelle für Architektur. Hauptschwierigkeit hierbei ist es, einen äußerst hochdimensionalen Parameterraum auf wenige allgemein anwendbare verhaltens- und wirkungsrelevante Dimensionen zu reduzieren, die im Idealfall auch noch gut interpretierbar sind und damit konkret im Architekturentwurf berücksichtigt werden können. Kein bestehendes Beschreibungssystem kann diesem Anspruch momentan umfassend gerecht werden, doch bieten sowohl architektonische Kompositionslehre, Raumanalyse, wie auch Wahrnehmungspsychologie und bildverarbeitende Methoden der Informatik vielfältige Ansatzpunkte, architektonische Räume nach eindeutig definierbaren Kriterien quantitativ zu beschreiben. In Kapitel 5 schließlich werden Risiken und Chancen von Studien zur Architekturwirkung und -wahrnehmung erörtert, die auf virtueller Realität (VR) basieren. Prinzipiell scheint dieses neue Medium wie kein zweites dafür geeignet, in der empirischen Architekturforschung Verwendung zu finden, da es eine Innenperspektive vermittelt und erlaubt, Raum flexibel und parametrisch zu verändern. Jedoch kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass in VR gewonnene Ergebnisse direkt auf reale Architektur übertragbar sind. Tatsächlich vermitteln vergleichende Studien den Eindruck, dass die Wirkung von Räumen in VR ausreichend ähnlich wiedergegeben wird, jedoch die Wahrnehmung von Größen und Distanzen größeren Verzerrungen unterliegt. In mehreren explorativen Studien werden deshalb Darstellungsfaktoren untersucht, deren Manipulation geeignet erscheint, diese Abweichungen zumindest zum Teil zu korrigieren. Allgemein kann aber festgestellt werden, dass generelle Tendenzen und relative Unterschiede zwischen Räumen zuverlässig wiedergegeben werden. An den grundlegenden methodischen Teil schliessen sich Kapitel 6 bis 8 an, die die mit der Dissertation verbundenen zentralen empirischen Studien vorstellen. Kapitel 6 rekapituliert zunächst normative Regeln sowie beschreibende und erklärende Theorien, die es erlauben, konkrete empirisch überprüfbare Hypothesen zu Zusammenhängen zwischen Raumeigenschaften und -wirkung aufzustellen und erlaubt damit einen zusammenhängenden Überblick über den theoretischen Hintergrund der zentralen Studien. Kapitel 7 stellt vier explorative Studien ausführlich vor, die die in den vorigen Kapiteln entwickelten methodischen Grundlagen empirisch überprüfen and anhand bestehender Theorien ein breite Auswahl von für die Wirkung potentiell relevanten Raumeigenschaften erkunden. Alle vier Studien benutzen ein ähnliches experimentelles Paradigma; über mehrere Versuchspersonen gemittelte Beurteilungen von computersimulierten Räumen werden mit beschreibenden Kennwerten der Räume verglichen, die Analyse konzentriert sich auf die Feststellung signifikanter Korrelationen und damit die Identifizierung von Raumeigenschaften mit möglichem Vorhersagewert für die Raumwirkung. Die Studien 1 bis 3 basieren jeweils auf einem eigenen Beschreibungsmodell für Architektur und konzentrieren sich gleichzeitig auf unterschiedliche Gestaltungsaspekte. Studie 1 betrachtet architektonischen Raum bildbasiert, der Schwerpunkt der Analyse liegt entsprechend auf Licht und Farbe. Zusätzlich werden über Bildfrequenzanalyse gewonnene Kennwerte mit emotionalen Beurteilungen verglichen. Studie 2 benutzt ein bauteilbasiertes Beschreibungsmodell, das ähnlich einem Raumbuch insbesondere funktionale und räumliche Merkmale berücksichtigt. Um das Beschreibungsmodell zu vereinfachen, beschränkt sich die Studie ausschließlich auf normale rechteckige Formen. Deshalb liegt das Schwergewicht von Studie 3 auf der allgemeinen Erfassung und Beschreibung von räumlicher Form mit Hilfe von Isovisten (möglichen Sichtfeldern) und Sichtbarkeitsgraphen. Studie 4 schließlich vergleicht einerseits die drei Beschreibungsmodelle direkt miteinander, andererseits untersucht sie das gemeinsame Zusammenwirken mehrerer Gestaltungsaspekte beispielhaft anhand von Farbe und Raumabmessungen. Eine vergleichende Diskussion der vier Studien erfolgt in Kapitel 8. In einer MetaAnalyse der gewonnenen Daten werden weitere generelle Faktoren (Bedeutung von Neuigkeit/Vertrautheit und Kontexteffekte) für die Raumwirkung untersucht und signifikante Einflüsse nachgewiesen. Eine direkte Gegenüberstellung der in den Studien festgestellten Raumeigenschaften mit hohem Vorhersagewert für die Raumwirkung zeigt Parallelen zwischen den Beschreibungssystemen auf und ergibt Hinweise auf wiederkehrende Faktoren. Die explorativen Studien legen nahe, dass ein allgemeines Beschreibungsmodell von Architektur für die Vorhersage von Raumwirkung folgende Faktoren berücksichtigen sollte: Generelle Farb- und Helligkeitswerte, Raumdimensionen und -proportionen, Kennwerte für relative Komplexität und Ordnung sowie die Geschlossenheit der Raumgrenzen. Eine Kombination aus bild- und isovistbasierter Analyse erscheint geeignet, diese Anforderungen zu erfüllen und hat den Vorteil, keine manuell nachbearbeiteten Daten als Grundlage zu benötigen. In Hinblick auf das provisorische Arbeitsmodell unterstützen die Ergebnisse der explorativen Studien eine grundlegende Vereinfachung: Die Annahme einer einfachen Überlagerung von gemeinsam auftretenden Faktoren erscheint im Normalfall als plausibelstes Modell für ihr Zusammenwirken. Alles in allem unterstützen die in dieser Dissertation durchgeführten Experimente und Analysen die Grundannahme, dass Raumwirkung empirisch untersuchbar und quantitativ erfassbar ist. Die mit Hilfe der empirischen Studien entwickelten und getesteten methodischen Bausteine erscheinen geeignet, als Grundlage für eine vertiefende Forschung zu dienen. Kapitel 9 diskutiert hieraus zu ziehende Schlussfolgerungen für die vom Dissertationsthema berührten Fachrichtungen und sieht insbesondere für die Architekturtheorie und -praxis positive Chancen, die sich aus einer auf empirischen Untersuchungen beruhenden und an psychologischen Bedürfnissen orientierten Ausrichtung von architektonischen Entwürfen ergeben.


Electronic version of the publication:
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