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Scientific Reports:

G. Esser, M. Döring-Williams et al.:
""Grundlagenarbeit zur Inwertsetzung der historischen Gesamtanlage Schloss und Tierpark Rosegg", Studie im Rahmen der VILLAS-Pilotprojektförderung 2006";
Report for Emanuel Liechtenstein, Tierpark Rosegg, Mühlbacherstr. 7, 9232 Rosegg; 2006; 200 pages.



English abstract:
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German abstract:
Ziel der vorliegenden Studie war die Klärung der Baugeschichte von Burg, Schloss und Landschaftsgarten in Rosegg und hier insbesondere die Frage nach einem möglichen Zusammenhang der drei Elemente in einem gemeinsamen räumlich-ästhetisch-funktionalen System. Während das Schloss und sein Landschaftspark im Tal der Drau in erheblichen Teilen unverändert erhalten sind und diese auch heute noch als eine gewachsene Einheit wahrgenommen werden können, bleiben uns von der einst mächtigen Burg auf dem Berg nur noch spärliche, in ihrem Zusammenhang schwer lesbare Reste.
Alle drei Elemente sind heute glücklicherweise immer noch in einer Hand vereint. Als Bestandteil des Tierparks in Rosegg tragen sie mit ihren Bedeutungsinhalten wesentlich zur touristischen Attraktivität des Gesamtensembles bei. Im Hinblick auf eine wünschenswerte Erweiterung des bestehenden Nutzungsspektrums Tierpark - Naturerlebnis - Geschichtswert des Ortes kommt ihnen eine in Zukunft noch größere Bedeutung zu, zeigt doch die Erfahrung, dass sich die Bedürfnisse der Besucher nach Erholung und Freizeitgestaltung immer stärker mit einem komplexen Gesamtverständnis der Anlage verbinden.
Anlass der Studie war in Folge dessen die Nutzbarmachung des Geschichtswertes des historischen Baubestands für die touristische Nutzung. Die Klärung der baugeschichtlichen Fakten ist dafür eine wichtige Voraussetzung und stellt die Grundlageninformationen bereit, auf deren fester Basis erst eine Vermarktung des Wissens und des Bestandes erfolgen kann. Gefordert war die Schaffung von Planunterlagen für die Erforschung, Erhaltung, Pflege und Präsentation des historischen Bestands sowie das Erarbeiten einer vollständigen bau- und gartenbaugeschichtlichen Dokumentation für ein zu schaffendes Parkpflegewerk.
Im Rahmen der VILLAS-Projektförderung der Europäischen Union im Jahre 2006, die eine In-Wert-Setzung der in Privat-Besitz befindlichen Schlösser und Gärten zum Ziel hat, wurde die Studie als Pilot-Projekt der Region Kärnten installiert. Ausschlaggebend für die Wahl war der innovative Ansatz der Arbeit, welcher Rechner-gestützte 3D-Laser-Messtechniken mit der bau-archäologischen Untersuchungsmethode verbindet und die mediale Präsentation der Untersuchungsergebnisse einschließt.
Mit den Arbeitsergebnissen der Studie sind die folgenden Erwartungen seitens der Auftraggeber, Bearbeiter und Förderer verknüpft: die Arbeiten sollen das Wissen um die Baugeschichte des untersuchten Bestands vermehren, sollen die Grundlagen schaffen zur Erarbeitung eines Konzeptes für die langfristige Sicherung des gefährdeten Bestandes, sollen Präsentationskonzepten im Rahmen der touristischen Nutzung eine wissenschaftliche Grundlage vermitteln und sollen nicht zuletzt einen Beitrag liefern zur Verbesserung der betriebswirtschaftlichen Gesamtsituation, von der ein Erhalt des baulichen Erbes in direkter Folge abhängt.

Untersuchungsmethode
In Rosegg haben wir es mit einem besonders deutlichen Fall der Ortskontinuität von Herrschaftsstrukturen zu tun, die sich - auf den engeren Umraum des Rosegger Burgberges begrenzt - fast lückenlos über einen Zeitraum von rund 1000 Jahren verfolgen lässt. Die sich aus gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen ergebenden strukturellen Veränderungen haben sich dabei teilweise in sich überlagernden baulichen Zeitschichten (die Ausbaustufen der Burganlage), teils im räumlichen Nebeneinander von unterschiedlichen Zeiten angehörenden Baustrukturen (Mittelalterliche Burg bzw. Neues Schloss) niedergeschlagen. Die Anlage jeder einzelnen Zeitschicht jedoch erfolgte keineswegs als eine in sich schlüssige und abgeschlossene Phase, sondern war - in den meisten Fällen - auf das bereits Vorhandene angewiesen. Zwischen aufeinander folgenden Bauphasen ergab sich auf diese Weise - fast zwanghaft - eine Wechselwirkung, oder anders gesprochen: ein Prozess der vertikal oder auch horizontal organisierten Actio - Reactio. Mit dem Wissen um diese Prozesse und unter Kenntnis der zu den jeweiligen Zeiten herrschenden bautechnischen Voraussetzungen und Gebräuchen, lassen sich Bauwerke als "Erkenntnisquellen" eines primär baulichen, sekundär aber ebenso gesellschaftlichen oder politischen Wandels lesen.
Während die klassischen kunstgeschichtlichen und historischen Untersuchungsmethoden speziell zur früheren Rosegger Baugeschichte bisher nur wenige Eckdaten liefern konnten - eben das, was Schrift- und Bildquellen an Aussagen bereit halten -, blieb das Bauwerk als Quelle der Erkenntnis bis heute weitgehend ungenutzt. Im Wissen um die Effektivität eines umfassenden Forschungsanspruchs versucht die vorliegende Studie deshalb, alle verfügbaren Forschungsansätze miteinander zu vereinen. Neben der Nutzung des den historischen und kunstgeschichtlichen Wissenschaften entspringenden Datenmaterials, bedient sie sich einer ganzen Reihe von innerhalb der Disziplin der Bauforschung kultivierten Methoden zur Aufnahme von baugeschichtlich relevanten Daten, die erst in ihrer Gesamtheit das komplexe Bild des Bestandes in all seinen Aspekten erfassen können.
Am Beginn der Datenaufnahme und -auswertung stand die maßliche und bildliche Erfassung der Gesamtanlage in unterschiedlichen Maßstäben und Detailgraden unter Nutzung der jeweils angemessensten Aufnahmetechnik. In einem zweiten Schritt erfolgte die Dokumentation der bauhistorisch bedeutsamen Erscheinungen in Befundzeichnungen und Photos, auf deren Basis die Einordnung der relevanten Bauteile nach ihrem Baualter und Entstehungszusammenhang möglich wurde. Danach konnten die Einzelergebnisse unter Berücksichtigung des historischen Quellenmaterials in einem wachsenden Bauphasen-Modell zusammengefasst und die Rekonstruktionen der Bauzustände in Bewegung visualisiert werden. Zur Demonstration des Gelände- und Baubestands wurden die Ergebnisse des 3D-Laserscannings in kurzen Filmsequenzen zusammengestellt.

Untersuchungsergebnisse
Die Bauvermessung, Baubefundung und Bauanalyse aller vorhandenen architektonischen und landschaftlichen Elemente, sowie konsequente Rückgriffe auf die aus den primären Bild- und Textquellen sowie den "Rosegger Themen" berührenden Forschungsberichten rekonstruierbare Baugeschichte haben zu einem komplexen, fast ein ganzes Jahrtausend umgreifenden Bild der baulichen Entwicklung der Herrschaft Rosegg geführt. Unter Einbeziehung einer vermutlich bereits Hallstatt-zeitlichen Siedlung auf dem Burgberg war es möglich, das Wachsen der Burganlage von einem ersten Kernbau des 12. Jahrhunderts, einer großen Ausbaustufe des 13. Jahrhunderts, ihrer nötigen wehrtechnischen Adaption an die Bedrohungen des 15. und 16. Jahrhunderts, sowie dem Ausbau des mittelalterlichen Wohnhauses zum Renaissance-zeitlichen Burgschloss zu verfolgen. Mit dem Bau des barocken Schlosses im Tal war sodann der Niedergang und die Aufgabe der Burg- / Schlossanlage auf dem Berg, ihre vollständige Ausschlachtung und gleichzeitige "Umgestaltung" zur ansehnlichen Ruine und als Fokuspunkt innerhalb des neu entstehenden, durch Ideen der Romantik geprägten Landschaftsgartens zu beobachten, während das neue Ensemble aus Gebäuden und Parkelementen, sich in den Rahmen der "wilden" Landschaft einpassend, die neuere "Rosegger Geschichte" bestimmte.

Vorschläge für Folgeaktivitäten
In der Komplexität der Forschungsstränge, der Länge des beforschten Zeitraums und in der Intention, das "baugeschichtliche Material" für weiterführende Arbeiten ganz anderer Art nutzbar zu machen, liegt das Besondere dieser Arbeit und zugleich ihr Anspruch. Vor dem Hintergrund des vor Beginn der Arbeiten bestehenden Forschungsstandes zur Burganlage in Rosegg scheint nunmehr ein Stadium erreicht, das ihre typologische, bautechnische wie auch zeitgeschichtliche Einordnung in das weite Panorama der bekannten Kärntner Burgen möglich macht. Zugleich war es ein methodisches Anliegen, den Erfolgsrahmen einer den architekturgeschichtlich wertvollen Bestand adressierenden Untersuchung durch die interdisziplinäre Vorgehensweisen auszuloten. Es sind hier neben den klassischen Methoden der bauforscherischen Betrachtung und der Recherche der Archivalien vor allem die innovativen Messtechniken, die zu einem deutlichen "Mehr" an Ergebnissen geführt haben. Sie sind das dritte Standbein der Untersuchung, dass erst bestimmte Ergebnisse wie die formtreue Erfassung des in den Höhen stark springenden Grundrisses am bewaldeten Berg oder die erst am Geländemodell überprüfbaren Überlegungen zu verdeckten Wall- und Wehranlagen sowie ehemaligen Wegeführungen ermöglichten. Und nicht zuletzt ist es auch diesen neuen Messtechniken, aber auch den mit diesen in engem Zusammenhang stehenden Darstellungstechniken zu verdanken, dass die Untersuchungsergebnisse nun auf eine neue, packende Art präsentiert werden können.
Es sind damit die wissenschaftlichen Grundlagen geschaffen für eine weitere Entwicklung, deren Ziel es sein muss, das kulturelle Erbe zu erhalten und - sowohl materiell in Gestalt der baulichen und landschaftlichen Zeugnisse als auch spirituell in Form eines Wissens über die eigene Kulturgeschichte - an die kommenden Generationen weiterzugeben. Das Programm der unter dem Namen VILLAS durch die europäische Union geförderten Projekte gibt uns die Schlüssel für die oben skizzierten Aktivitäten an die Hand, indem es eine "Inwertsetzung" der Schlösser und Gärten fordert und fördert. In diesem Sinne und mit dem Ziel, den auf Grund der begonnenen Aktivitäten abgesteckten Bogen zu schließen, sind nunmehr eine ganze Reihe sich inhaltlich ergänzender und organisatorisch ineinander greifender Folgemaßnahmen der Sicherung des bedrohten Baubestandes, der weiterführenden wissenschaftlichen Untersuchung, der Präsentation der Untersuchungsergebnisse und der bauliche Adaptierung der Gesamtanlage an die erweiterte Nutzung notwendig und kalkulierbar geworden.

Keywords:
3D-Laserscanning, Bauforschung, Architekturvermessung, Bauarchäologie, Cultural Heritage, Bauhistorische Untersuchung

Created from the Publication Database of the Vienna University of Technology.