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Talks and Poster Presentations (without Proceedings-Entry):

B. Steger:
"Wiener Architektur 1955-70: Avantgarde wider Willen, aber erst recht.";
Talk: Konferenz des Europäischen Netzwerks für Studien zu Avantgarde und Moderne (EAM), Universität Gent, Faculteit Letteren en Wijsbegeerte; 05-29-2008 - 05-31-2008.



German abstract:
Man könnte die Wiener Architektur-Avantgarde als "Zeitfenster" zwischen nationalsozialistischer Herrschaft und der gesellschaftspolitischen Wende ab 1968 bzw. dem zeitgleichen Anheben der Pop-kulturellen Welle datieren: "rückwärtsgewandt" in Anknüpfung und Aufarbeitung der verschütteten Architekturtraditionen der Wiener Moderne zwischen 1900 und 1934. Die typisch wienerische Skepsis gegenüber Programmen und Manifesten stand schon bei Adolf Loos oder Josef Frank fern von den doktrinären Setzungen der deutschen (Bauhaus), niederländischen (de Stijl) oder französischen (Le Corbusier) Moderne. Im Gegensatz dazu vermittelte der deutsch-amerikanische Konstrukteur und Architekturvisionär Konrad Wachsmann einen für Wien besonders anziehenden geschichtslosen Blick nach vorne. Er lehrte von 1956 - 1959 an der Sommerakademie in Salzburg, an der nahezu die gesamte junge Architekturavantgarde teilnahm (Ottokar Uhl, Friedrich Kurrent, Johannes Spalt, Hans Hollein oder Johann Georg Gsteu): Überschreitung von Architektur als "Metier" auf der Basis von Rationalität und Wissenschaftlichkeit. Wachsmann verstand es, sowohl denjenigen, die eine Veränderung mit konkreten baulichen Mitteln erreichen wollten, ausreichend visionäre Perspektiven zu vermitteln wie auch bspw. einem Hans Hollein, der wenig später mit der Ausstellung "Architektur" (Galerie St. Stephan, 1963) das engere Feld des Bauens verließ. "Gemeinsam an einem Projekt tätig, mit einer klaren Konzeption und Philosophie konfrontiert, wurden die Dinge auf einer höheren Ebene als der einer allgemeinverbindlichen Modernität angegangen und zugleich auch die ersten Infragestellungen angemeldet" (Hans Hollein).
Jener Architekt, der sich auf kürzestem Weg von den alten und neuen Wiener Traditionen löste - und dabei zugleich als einziger die intensivste Beziehung zu den zeitgleichen Manifestationen der malerischen, plastischen und musikalischen Avantgarde unterhielt -, ist Ottokar Uhl (geb. 1931). Paradoxerweise sind seine Bauten für die Kirche, wie drei Studentenkapellen, eine Kirche in Taegu/Korea oder eine temporäre Kirche aus industriellen Fertigteilen, die radikalste Ausformung von gebauter Architektur-Avantgarde in Wien. Ihr Avantgardismus-Gehalt liegt ebenso in ihrer konkreten Form wie auch im Ansatz einer "radikalen Rationalität" (Peter Weibel), die sich selbst als "Prozess" unter Einbeziehung des fortschrittlichsten Standes industrieller Technologien, Gesellschaftswissenschaften und erster Formen einer Art "Basisdemokratie", der Partizipation der BenützerInnen verstand. In ihrer Zerlegung jeglicher Architekturtradition in deren nackte Elemente - und nochmals Dekonstruktion derselben - lassen sich Querbezüge zu anderen Sparten der Wiener Avantgarde herstellen, was anhand von drei Projekten gezeigt werden soll.

Created from the Publication Database of the Vienna University of Technology.