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Contributions to Proceedings:

K. Stieldorf, C. Ipser, K. Krec, W. Feilmayr:
"Kurzbewertung von Immobilien";
in: "Forschungsinitiative Nachhaltig Massiv", WKÖ, ÖGUT (ed.); issued by: Fachverband der Stein- und keramischen Industrieund österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik; Fachverband der Stein- und keramischen Industrie, und Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik, Wiedner Hauptstraße 63, 2010, (invited), 09 - 10.



German abstract:
In Österreich, sowie auf europäischer und internationaler Ebene gibt es zahlreiche Entwicklungs-und Normungsbewegungen zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Immobilien. Dies zeigt, dass Nach-haltigkeitsaspekte von Immobilien aufgrund von Klimaerwärmung, steigender Energiepreise, Unsicherheit der Energieversorgung, damit verbundenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemen bei politischen Entscheidungsträgern wie auch in der breiten Bevölkerung wahr-genommen werden und zunehmend Berücksichtigung finden. Im Wohnbau werden in Österreich bereits seit einigen Jahren einzelne Teilaspekte des nachhaltigen Bauens (Energieeffizienz, Barriere-freiheit, ökologische Baustoffe...) gezielt gefördert. Das Konzept der Nachhaltigkeit ist in der Immobilienwirtschaft grundsätzlich auch mit geringeren Risiken und einer besseren Wertstabilität verbunden, was wiederum bessere Kredit- und Versicherungsbedingungen ermöglicht und zu höheren erzielbaren Marktpreisen führt.
Erste Studien deuten darauf hin, dass die Energieeffizienz von Wohngebäuden derzeit bereits einen signifikanten Einfluss auf den erzielbaren Marktpreis von Immobilien hat (Salvi, et al., 2008; Brunner, 2009). Die Vermutung liegt nahe, dass sich auch andere Nachhaltigkeitsaspekte positiv auf den Wert von Immobilien auswirken.

Für die Entwicklung des Kurzbewertungsverfahrens wurden relevante bestehende Gebäudebewertungsinstrumente und -methoden analysiert. Dabei wurden bewusst Themen aus den beiden Nachhaltigkeitssäulen Gesellschaft und Ökonomie mit einbezogen. Die untersuchten Bewertungsinstrumente sind jedoch aufgrund ihres Umfangs und ihrer Komplexität mit einem sehr hohen Datenerhebungsaufwand verbunden und daher in der Praxis nur im Zuge von Planungsarbeiten für einen Neubau oder eine umfassende Sanierung durchführbar.
Die nachhaltigkeitsorientierte Bewertung von Bestandsgebäuden ist also mit den bestehenden Methoden aufgrund der im Gebäudebestand häufig fehlenden oder unvollständigen Datengrundlagen in einem wirtschaftlichen Rahmen kaum möglich.

Im Bereich der ökonomischen Immobilienbewertung steigt die Zahl der etablierten Verfahren im deutschsprachigen Raum. Neben den bisher gängigen Verfahren (Vergleichswert-, Sachwert- und Ertragswertverfahren) nach Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG, BGBl. Nr. 150/1992), gewinnen Verfahren aus dem angelsächsischen Raum (Discounted Cash-Flow-Verfahren, Immobilien-Ratingsysteme, hedonische Methoden) an Bedeutung.
Die mit diesen Veränderungen verbundenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sowie die teilweise bereits laufenden Normierungs- und Kodifizierungsverfahren bringen jetzt die Notwendigkeit und Chance mit sich, die erforderlichen Grundlagen für eine bessere Einbindung von Nachhaltigkeitsthemen in der Liegenschaftsbewertung zu schaffen.

Die Entwicklung eines Kurzverfahrens zur nachhaltigkeitsorientierten Bewertung von Bestandsgebäuden mit Wohnnutzung stand im Zentrum eines Forschungsprojektes von Haus der Zukunft plus. Ergebnis ist ein thematisch strukturiertes und gewichtetes Kriterien- und Indikatorset, das - aufbauend auf den Energieausweis - eine rasche und zuverlässige Einschätzung der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Qualitäten von bestehenden Wohngebäuden zulässt. Ein Folgeprojekt für die Softwareimplementierung des Kurzbewertungsverfahrens ist geplant.
Die ursprünglich vorgesehene Reduktion auf eine sehr geringe Indikatorzahl war mit den vielfältigen Aspekten einer nachhaltigkeitsorientierten Gebäudebetrachtung nicht in Einklang zu bringen. Als relevant wurden 34 Kriterien identifiziert, von denen vier - derzeit als Platzhalterkriterien definiert - nicht in die Bewertung einfließen.

Da die in den untersuchten Verfahren eingesetzten Indikatoren zum größten Teil mit aufwändigen Berechnungen und einer sehr detaillierten Datenerfassung verbunden sind, ist ihre Anwendung bei dieser großen Kriterienzahl im Rahmen einer Kurzbewertung nicht wirtschaftlich durchführbar. Um den Aufwand dennoch innerhalb des vorgesehenen wirtschaftlichen Rahmens zu halten, wurde daher ein Checklistenbewertungssystem zur raschen Erfassung und Einschätzung der relevanten Gebäudecharakteristika entwickelt. Die Checklisten wurden so zusammengestellt, dass der größte Teil der erforderlichen Daten aus den Planunterlagen und dem Energieausweis entnommen bzw. im Zuge einer Begehung erfasst werden kann. Um den Aufwand weiter zu reduzieren, soll im Zuge der Softwareimplementierung die Erfassung und Bewertung der Standorteigenschaften mit Hilfe von Rauminformationssystemen weitestgehend automatisiert werden.

Für die als Endergebnis vorgesehene Gebäudebewertungssoftware sind sehr unterschiedliche Einsatzgebiete vorstellbar, wie etwa in der Bauforschung-und -entwicklung, m Bereich Gebäudeverwaltung und -management, oder als Grundlage für Sanierungs- und Neubauentscheidungen. Nicht zuletzt bildet das entwickelte Bewertungsverfahren eine Basis für die im dritten Arbeitsschritt durchgeführte Schnittstellenentwicklung zur ökonomischen Immobilienbewertung.

Schnittstellenentwicklung zu bestehenden ökonomischen Bewertungsmodellen
Im dritten Teil der Arbeit wurde anhand von hedonischen Modellen der aktuelle Einfluss nachhaltigkeitsrelevanter Parameter auf den Marktwert von Immobilien untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass etwa ein Drittel der in Arbeitsschritt 2 zusammengestellten Nachhaltigkeitskriterien bereits jetzt einen positiven Einfluss auf den Marktwert von Gebäuden hat.

Es zeigte sich, dass Immobilien an infrastrukturell gut aufgeschlossenen Standorten deutlich höhere Marktwerte erzielen. Für Wien lässt sich außerdem ein positiver Einfluss der Verfügbarkeit und Erreichbarkeit von Grünräumen auf den Wert von Wohnimmobilien ablesen, fehlende öffentliche Verkehrsanbindungen und große Entfernungen zu öffentlichen Verkehrsmitteln wirken sich negativ auf den Marktwert aus. Diese Effekte zeigen sich bei Eigentumswohnungen zum Teil deutlicher als bei Einfamilienhäusern. Eine Ursache dafür könnte darin liegen, dass bei Kaufentscheidungen von Einfamilienhäusern Nutzenaspekte wie Statusgehalt, private Freiräume und Rückzugsmöglichkeiten im Vordergrund stehen und infrastrukturelle Nachteile eher in Kauf genommen werden.

Die Bebauungsdichte wird aus nachhaltigkeitsorientierter und marktorientierter Sicht stark gegenläufig bewertet. Diese Tatsache zeigt dass eine Verbesserung der Nutzerakzeptanz verdichteter Wohnformen für die Verbreitung nachhaltiger Bauweisen eine sehr wesentliche Rolle spielen könnte.

Erwartungsgemäß zeigt sich bei den Imageindikatoren ein sehr starker Einfluss auf den Marktwert. Ein hoher Akademiker- und Maturantenanteil, ein hohes durchschnittliche Haushaltseinkommen, sowie eine hohe Kaufkraft und ein hohes Kaufkraftwachstum in der Umgebung, aber auch Faktoren wie die Nähe zu Schutzzonen und denkmalgeschützten Gebäuden und eine geringe Anzahl schlechter oder alter Wohnungen in der Umgebung wirken sich stark positiv auf den Marktwert von Wohnimmobilien aus ebenso Gemeindealtersindex und Anteil der Erwerbspersonen in der Gesamtbevölkerung. Wie Image und Zustand des Standortes aus nachhaltigkeitsorientierter Sicht zu bewerten sind, konnte noch nicht geklärt werden.

Den Erwartungen entsprechend zeigte sich, dass Ausstattungsmerkmale und Ausstattungsqualität einen sehr deutlichen Einfluss auf den Marktwert haben, wie u.a. private Freiräume, Anzahl und Ausstattungsqualität der Sanitärräume oder eine generell überdurchschnittliche Ausstattung sowie das Vorhandensein eines Kellers oder Kellerabteils.
Bei Einfamilienhäusern hat eine ungünstige Raumaufteilung und die damit verbundene schlechte Nutzungsflexibilität einen deutlichen Preisabschlag zur Folge. In Bezug auf die Barrierefreiheit konnte jedoch lediglich für Eigentumswohnungen in Wien der starke positive Einfluss eines vorhandenen Liftes gezeigt werden.

Alter und Zustand gehören ebenso wie Ausstattung und Image zu den klassischen Bewertungsparametern der monetären Liegenschaftsbewertung. Dementsprechend zeigt sich für diese Eigenschaften in allen drei Modellen ein starker Einfluss auf den Immobilienwert. Interessant sind dabei die Verläufe der Altersentwertung in den Modellen 1 und 2. Darin zeigen sich für Wohnimmobilien aus den 40er, 50er und 60er Jahren höhere Preisabschläge als für Objekte aus der Gründerzeit und Zwischenkriegszeit. Der Wert von Gründerzeitwohnungen liegt zum Teil sogar über dem Marktwert von ansonsten gleichen Wohnungen aus den 70er, 80er und 90er Jahren.

Energiekennzahlen werden zwar teilweise bereits erfasst, die Zahl der Beobachtungsfälle ist jedoch noch zu gering um allgemein gültige Aussagen über deren Einfluss auf den Marktwert treffen zu können. Die Koeffizienten der Heizungsqualität lassen jedoch darauf schließen, dass Wohnimmobilien mit als umweltfreundlich eingestuften Heizsystemen mit geringeren Emissionen, höherem Wirkungsgrad und niedrigerem Energieverbrauch deutlich höhere Marktpreise erzielen.

Für das Kriterium Licht und Sonne konnte zwar kein direkter Einfluss auf den Marktwert ermittelt werden, die Auswirkungen der Parameter Stockwerkslage, Qualität der Lage im Haus und Orientierung der Wohnräume lassen jedoch den Schluss zu, dass sich Helligkeit und eine größere Besonnungsdauer sehr positiv auf den Marktwert von Wohnimmobilien auswirken.

Nachhaltigkeitsaspekte, die bei der zukünftigen Datenerfassung für hedonische Modelle eine größere Rolle spielen könnten, sind neben der Energieeffizienz auch die Barrierefreiheit, die Sommertauglichkeit und der Umgang mit Trinkwasser. Die Barrierefreiheit könnte aufgrund der zunehmenden Überalterung der Bevölkerung in Zusammenhang mit bereits gesetzten politischen Steuerungsmaßnahmen sehr bald einen Einfluss auf den Marktwert von Immobilien haben. Ebenso könnte die Sommertauglichkeit aufgrund des Klimawandels und der damit zusammenhängenden steigenden Anzahl sommerlicher Hitzeperioden in Zukunft eine Rolle bei der Preisbildung von Wohnimmobilien spielen. Solange die Sommertauglichkeit nicht in einem Dokument wie dem Energieausweis verpflichtend ausgewiesen werden muss, kann sie mit vertretbarem Aufwand jedoch nur über indirekte Merkmale wie Größe der Glasflächen im Verhältnis zur Raumgröße, Orientierung, Verschattung und Belüftbarkeit abgeschätzt werden. Auch für das Kriterium Umgang mit Trinkwasser ist im Zusammenhang mit einer stärkeren Bewusstseinsbildung ein Einfluss auf den Marktwert vorstellbar, zumal hier ähnlich wie beim Energiebedarf ein unmittelbarer Zusammenhang mit den Betriebskosten besteht.

Keywords:
Gebäudebewertung, Kurzverfahren, Nachhaltigkeit, Marktwert, ökonomische Gebäudebewertung

Created from the Publication Database of the Vienna University of Technology.