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Diploma and Master Theses (authored and supervised):

G. Geml:
"Frühe Johannesschüsseln";
Supervisor: M. Schwarz; Institut für Kunstgeschichte, Universität Wien, 2009; final examination: 10-15-2009.



German abstract:
Die Johannesschüsseln erzählen von der Passion Johannes des Täufers, in verkürzter und verdichteter Form: Abgebildet ist der soeben abgeschlagene Kopf des Täufers auf der Schale, wie er der Tochter der Herodias dargebracht worden ist. Die frühesten skulpturalen Umsetzungen dieses Motivs stammen aus dem 13. Jahrhundert, sind annähernd lebensgroß, zumeist aus Holz gefertigt, farbig gefasst und bemerkenswert in ihrem Versuch, Realität zu imitieren. Die meisten Bildwerke sind jedoch aus dem 15. und 16. Jahrhundert bekannt, hergestellt wurden Johannesschüsseln bis ins 20. Jahrhundert. Die ursprüngliche Funktion dieser ehemals so populären Skulpturen ist bisher noch nicht untersucht; die Frage, warum man im 13. Jahrhundert dieses neue Bildwerk entwickelte, ist ohne das Wissen um diese jedoch nicht zu klären. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher, den ursprünglichen Verwendungszweck der Johannesschüsseln herauszufinden. Um sich diesem annähern zu können, werden jene Exemplare auf Aussehen, Beschaffenheit und Kontext untersucht, die im 13. und 14. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum entstanden sind - die frühen Johannesschüsseln. In der gängigen kunsthistorischen Literatur fand man bisher drei Meinungen zur Funktion der Johannesschüssel: Sie soll als Reliquiar, als Andachtsbild sowie als Requisit im geistlichen Spiel gedient haben. Zwar wurden in einigen Exemplaren Reliquien gefunden, dass sie als Reliquiare dienten, ist jedoch auszuschließen. Zum einen passt die Johannesschüssel nicht in die Reihe der gängigen Reliquiarformen, zum anderen musste - wie im 15. und 16. Jahrhundert fallweise geschehen - die Bildform adaptiert werden, damit sie als Reliquiar gelten kann: Die Johannesschüssel wurde auf einen Fuß gesetzt. Ob die Johannesschüssel ein Andachtsbild ist, hängt von der jeweiligen Definition dieses Bildtypus ab; ob sie als solches gedient hat, ist offen. Sicher ist, dass die Johannesschüssel verehrt wurde, wie ein Altarbild aus dem frühen 16. Jahrhundert zeigt. Für die frühen Exemplare gibt es aber nur wenige Hinweise auf die Ausstellungsart und den Kontext. Die Frage, ob, wo und wie die Johannesschüssel den Gläubigen zur Verehrung präsentiert worden ist, ist nach derzeitigem Forschungsstand nur unbefriedigend zu beantworten. Hingegen wird in der vorliegenden Arbeit dank einer Reihe von Indizien der Nachweis erbracht, dass die frühen Johannesschüsseln ursprünglich als Requisit im geistlichen Spiel eingesetzt worden sind. Die Eigenschaften dieser Bildwerke wie die lebensnahe Ausführung, die annähernde Lebensgröße, Zweiteiligkeit oder Tragbarkeit, das gleichzeitige Aufkommen der Johannesschüsseln und Johannesspiele sowie Regieanweisungen dieser geistlichen Spiele, die ein formal ähnliches Objekt fordern, sprechen dafür. Die Schilderungen der Bühnenszenerien in den genannten Anweisungen zeigen deutliche Parallelen zu einigen Darstellungen der Johannespassion in Fresken bzw. Reliefs in Deutschland, Frankreich und Italien. Diese bilden jenes Objekt ab, das im geistlichen Spiel als Kopf des Täufers auf der Schale verwendet wurde: die Johannesschüssel.

Created from the Publication Database of the Vienna University of Technology.