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Publications in Scientific Journals:

C. Jäger-Klein:
"Feuerhalle und Feuerwache im Roten Wien. Expressionismus und gesellschaftspolitisch motivierte Bauaufgaben.";
Journal of Comparative Cultural Studies in Architecture (JCCS-a), 7 (2015), 50 - 59.



English abstract:
Since 1870 culturally liberal forces within the arch-catholic society of the Austro-Hungarian Habsburg monarchy fought for cremation as legal mode of funeral. With the collapse of the monarchy the social democrats gained political power over the former capital Vienna. One of the most symbolic building projects for the manifestation of this triumph within the >Kulturkampf< is the erection of the crematory at the central graveyard of the city. The commission for the building in 1922 gained finally a young catholic architect from Tyrol, Clemens Holzmeister. His stylistic solution the critiques named Indian, Babylonian, oriental, strange and Gothic-mystic, all features, which architecture uses for describing expressionism. This is remarkable, as experts like Wolfgang Pehnt consider the (German) expressionist architects to be rather apolitical, but socialist. Holzmeister neither was apolitical nor socialist.

The same political decision makers in the time between the Great Wars force an ambitious social (communal) housing program of the so called Red Vienna. Today rather unknown, within the program various fire stations in the southern and western suburbs of Vienna were set up, which emphasis their function through sculptural towers to dry the fire hoses. These >socialist< towers of the Red Vienna replace the >catholic< bell towers of the Habsburg empire within the city scape, announcing the victory in the cultural fight through highly symbolic monuments.

Both building types are linked through the theme of >fire<, not only because of their functional aspect, but also in their affinity to Friedrich Nietzes Also sprach Zarathustra. This writing worked as a kind of bible for the expressionist artists through its negotiation of the bourgeois and the imperial state. In their function both buildings types do not share any aspects, as cremation halls are undoubtedly sacral buildings whereas fire stations serve utilitarian purposes. Hence from the conservative catholic perspective a crematory at around 1900 was not considered to be >sacral<, as this kind of burial led to expropriation from the religion. Therefore it should not look like a sacral building, which in the European tradition mainly was expressed by a one or two tower entrance façade. Nevertheless, for fire departments hose towers seemed appropriate for functional reasons. Holzmeister solved the tower conflict for the crematory by avoiding too directly a traditional sacral building with towers. He instead designed a structure in the upcoming language of expressionism, not yet noticing the new style and he never again used expressionism again through his career.

German abstract:
Seit 1870 kämpfte die kulturliberale Feuerbestattungsbewegung im erzkatholischen Habsburgerreich Österreich - Ungarn vergeblich um die Zulassung der Leichenverbrennung. Erst durch den Zusammenbruch der Monarchie mit dem Ersten Weltkrieg erhält der Sozialismus zumindest in der vormaligen Residenzhauptstadt Wien ausreichend politische Macht, um seine gesellschaftspolitische Utopie in Bauwerke umsetzen zu können. Das wichtigste Projekt zur Manifestation dieses Sieges im >Kulturkampf< ist die Errichtung des Krematoriums am Wiener Zentralfriedhof. Den Zuschlag für den Bau erringt 1922 letztendlich der noch junge, katholische Architekt Clemens Holzmeister aus Tirol. Sein Bauwerk wird von der zeitgenössischen Architekturkritik stilistisch als babylonisch, indisch, orientalisch, fremd und mystisch-gotisch eingeordnet, alles Attribute, die die Architekturgeschichte dem Expressionismus zuordnet. Dies ist insofern bemerkenswert, als ausgewiesene Experten wie Wolfgang Pehnt die Architekten des (deutschen) Expressionismus in ihrer Weltanschauung eher sehr eindeutig einem unpolitischen Sozialismus zuweisen. Holzmeister aber war weder unpolitisch noch sozialistisch.

Dieselben politischen Entscheidungsträger des sogenannten Roten Wien forcieren in der Zwischenkriegszeit ein wahrhaft ambitioniertes und erfolgreich durchgeführtes, soziales (kommunales) Wohnbauprogramm. Im Zuge dieses zentral über das Stadtbauamt gesteuerten Arbeitsvorhabens werden auch einige Feuerwachen in diesen neu verdichteten Vorstadtarealen Wiens im Süden und Westen errichtet, die die Bauaufgabe unter anderem mittels bauplastisch speziell ausformulierter Schlauchtürme für die Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen. Diese Türme substituieren die traditionellen Kirchtürme der Wohnviertel der Gründerzeit. Mit beiden Bauaufgaben, der Feuerhalle am Zentralfriedhof wie den Feuerwachen in bürgerlichen Wohngegenden kreiert der Sozialismus in Wien symbolträchtige Monumente, die dem politisch gegnerischen Lager den Kampf um die >Stadtkrone< ansagen.

Verbindendes Thema für beide Bauprogramme ist das >Feuer<, nicht nur in der Namensgebung für die beiden Bautypen Feuerhalle und Feuerwehr, sondern auch in ihrer Affinität zu Friedrich Nietzsches Also sprach Zarathustra. Diese Schrift wurde durch seine Absage an das Bürgerliche und die Verachtung des (imperialen) Staates zu einem kanonischen Buch für die expressionistischen Künstler. In funktioneller Hinsicht haben die beiden Bautypen nichts gemein. Feuerhallen sind heute ganz unzweifelhaft Sakralbauwerke, Feuerwehren hingegen reine Zweckbauten. Aus erzkatholischer Sicht konnte jedoch ein Krematorium um 1900 kein sakrales Bauwerk sein, denn diese Bestattungsform führte zum Ausschluss aus der Religionsgemeinschaft. Die Sozialdemokratie verstand sich weltanschaulich ohnedies als aggressiv anti-religiös. Darum sollte ein Krematorium auch nicht wie ein Sakralbau aussehen, was in der europäischen Architekturtradition normalerweise durch eine Ein- oder Zweiturmfassade zum Ausdruck gebracht wurde. Für Feuerwehrhäuser jedoch schien es aus funktionellen Überlegungen angemessen, die Schlauchtürme zur Schau zu stellen. Holzmeister löste gerade diesen Konflikt für die Feuerhalle am besten, indem er kein historisierendes Bauwerk entwarf, sondern sich in ihm intuitiv der Formensprache des Expressionismus annäherte, ohne dies selbst wahrzunehmen und je in seiner Karriere zu wiederholen.

Keywords:
Building in historic context, clash of culture, crematory, expressionism, fire station, sacral architecture, temple, tower, ziggurat

Created from the Publication Database of the Vienna University of Technology.